Augsburg besitzt seit über vier Jahrhunderten mit dem Katholischen Friedhof und seiner Begräbniskirche St. Michael ein Juwel in zentraler Lage, heute mitten in der Stadt nur wenige Minuten von den öffentlichen Verkehrsknotenpunkten entfernt. Der Kath. Friedhof war 1599 der erste konfessionelle Friedhof in Augsburg, der in den Wirren der Reformation die Ursache seiner Entstehung findet.
Friedhofsgeschichte in Augsburg
Zur Zeit der Gründung der heutigen Stadt Augsburg als Zivilsiedlung Augusta Vindelicum um 15 v. Chr. durch die Römer waren Bestattungen lt. römischem Gesetz nur außerhalb von Wohnsiedlungen gestattet. Das erste Begräbnisfeld wurde von den Römern am heutigen Milchberg angelegt.
Doch als nach Kaiser Konstantin im römischen Reich die christliche Lehre Staatsreligion wurde, wollten die Christen so nahe wie möglich beim Hause Gottes und vielerorts auch in der Nähe von Märtyrern und Heiligen bestattet werden. Darum finden sich besonders viele Zeugnisse christlicher Beerdigungen in Augsburg um die heutige Ulrichsbasilika herum, die ursprünglich auch außerhalb der Stadtmauern stand.
Nach dem Rückzug der Römer aus Germanien hielt man sich nicht mehr an das römische Gesetz der Bestattungen. Die Toten wurden nun auch innerhalb der Wohngebiete in und an Kirchen beigesetzt.
In den folgenden Jahrhunderten veränderte sich die Begräbnissituation durch den immer größer werdenden Zustrom der Landbevölkerung, die in der Stadt bessere Lebensbedingungen suchte. Immer häufiger auftretende Epidemien verursachten zahlreiche Sterbefälle. Dies wurde zum Problem für Augsburg, da die Bestattungsflächen innerhalb der Stadtmauern nicht mehr ausreichten.
Man erinnerte sich wieder an die römische Gesetzgebung. So entschied der Rat 1494, den ersten zentralen „Unteren Friedhof“ außerhalb der Stadt zwischen dem Lueginsland und St. Stephan anzulegen. Diese Entscheidung nahm Kaiser Maximilian 1518 zum Vorbild, als er die Reichstädte aufforderte, zukünftige Gottesäcker wegen der Epidemien außerhalb der Stadt zu legen. Diesem Aufruf folgte Augsburg 1534. Der zweite „Obere Friedhof“ wurde vor dem Roten Tor außerhalb der Stadtmauer angelegt.
Die Entstehung des Kath. Friedhofs an der Hermanstraße
Bis zur Einführung der Reformation am 17. Januar 1537 in Augsburg nutzten beide Religionsgemeinschaften ohne Einschränkungen die bestehenden Friedhöfe. Doch nun wurde seitens des zum protestantischen Glauben übergetretenen Stadtrats den Katholiken verweigert, in und an den Kirchen sowie in beiden zentralen Friedhöfen Bestattungen nach dem römischen Ritus durchzuführen.
Dieser Zustand war auf Dauer für die Katholiken nicht tragbar. Deshalb wurde dem Magistrat der Stadt am 31.10.1598 das Ansuchen um Genehmigung eines katholischen Friedhofs mit folgender Begründung vorgebracht:
„Dass die mehrertheil Catholischen Personen, nach deren Absterben, in keinem geweihter Ort, Kirchen oder Gottesäcker begraben werden künden. Letztlich würde hierdurch friedliche Einheit zwischen den beiden Religionen gepflanzet und erhalten.“ 1)
Am 27.Juli 1599 wurde das Gesuch genehmigt, dass die Katholiken einen eigenen Friedhof vor dem Gögginger Tor erhalten.
So konnte man nach dem Kauf eines Gartens von der Hospitalstiftung bereits ab 1600 den Friedhof nutzen und im gleichen Jahr durch den Kauf eines weiteren Geländes vom Augsburger Patrizier Max von Rehlingen erweitern.
1603 begann man mit dem ersten Kirchenbau, der bereits ein Jahr später zu „Ehren des Hl. Michael und aller heiligen Engel“ geweiht wurde.
1) Zitat entnommen aus Seite 1 des Friedhofsführers „Kath. Friedhofskirche St. Michael in Augsburg“, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg 1. Auflage 2006
Die weitere Geschichte des Hermanfriedhofs
Lange konnten sich die Katholiken nicht an ihrem Friedhof und der Kirche erfreuen, denn 1632 nahmen die Schweden die Stadt ein. Sie verwüsteten den Friedhof so sehr, dass er nicht mehr nutzbar war. Ebenso wurde die Kirche zerstört.
Am Ende des Dreißigjährigen Krieges erhielten 1649 die Protestanten den „Oberen Friedhof“ und die Katholiken ihren Friedhof an der Hermanstraße. So konnte man ab 1652, vier Jahre nach dem Westfälischen Frieden den Friedhof wieder für Begräbnisse nutzen.
Aber schon 1703, als während des Spanischen Erbfolgekriegs die Kaiserlichen nach Augsburg kamen, wurde der Friedhof erneut verwüstet und die Michaelskirche aus militärisch–strategischen Gründen komplett abgerissen.
Nach dem Abzug der kaiserlichen Truppen im Folgejahr war es dann wieder möglich, den Friedhof zu nutzen und die heutige Kirche in den Jahren von 1708 bis 1714 mit großer finanzieller Unterstützung der Fugger zu errichten und auszustatten.
Zwischen 1799 und 1830 wurde das Friedhofsgelände mehrmals erweitert. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sollte der Friedhof im Rahmen der Baumaßnahmen des heutigen Hauptbahnhofs aufgelassen werden, was aber verhindert werden konnte.
1912 wurde aufgrund des Platzmangels im Friedhof ein Erwerbsstopp für neue Gräber verhängt. Beisetzungen waren nur noch in bestehenden Familiengräbern zugelassen.
Nach 1933 war wieder von einer Auflassung des Friedhofs die Rede, denn die Nationalsozialisten planten ein monumentales „Gauforum“ unter Einbeziehungen des Friedhofsgeländes. Dies wurde aber durch den Kriegsbeginn 1939 verhindert.
Im Februar 1944 erlitt die Kirche durch Fliegerbomben besonders im Deckenbereich starke Beschädigungen, die dazu führten, dass man 1951 aus Sicherheitsgründen das wertvolle Deckenfresko von 1772 im Kirchenschiff abnehmen musste.
Ab 1946 bis heute sind Bestattungen auch wieder in neuen Gräbern zugelassen.
Die Begräbniskirche St. Michael
Mit dem Bau der ersten Begräbniskirche auf dem Friedhofsgelände an der Hermanstr. wurde 1603 begonnen. Ein Jahr später wurde die Kirche bereits „zu Ehren des Hl. Michael und aller heiligen Engel“ geweiht und dem Chorherrenstift St. Moritz zugeordnet.
Der Kirchenbau soll, wie man bis heute vermutet, von Esaias Holl nach dem Vorbild der Klosterkirche in Klosterlechfeld errichtet worden sein.
Während des Dreißigjährigen Krieges wurde die Kirche so stark beschädigt, dass sie später abgerissen werden musste.
Als nach dem Westfälischen Frieden den Katholiken ihr Friedhof an der Hermanstr. zugesprochen worden war, konnte man wieder an einen Kirchenbau denken, der jedoch erst 1668 wieder zu Ehren des Hl. Michael eingeweiht wurde.
Bereits 35 Jahre später wurde der Friedhof während des Spanischen Erbfolgekriegs, als die Kaiserlichen nach Augsburg kamen, erneut verwüstet und die Michaelskirche aus militärisch strategischen Gründen komplett abgerissen.
Ab 1708 wurde die Kirche größer und schöner als der Vorgängerbau von 1668 mit Hilfe der Fugger Familien errichtet und am 29. August 1712 wieder zu „Ehren des Erzengel Michael und aller heiligen Engel“ eingeweiht.
Der Innenbereich der Kirche
Die Innenausstattung mit seinen drei Rokokoaltären und ihren großartigen Altarblättern sowie wertvollen Bildern wurde von den Familien der Fugger gestiftet.
Das Altarblatt des Hochaltars mit dem Bildmotiv „Der Engelsturz“ wurde früher oft Matthias Kager zugeschrieben, aber wahrscheinlicher ist es ein Gemälde des Münchner Hofmalers Christoph Schwarz.
Die beiden Seitenaltäre wurden ebenfalls mit Meisterwerken frühbarocker Malerei ausgestattet. Dabei schmückt den westlichen das Altarbild „Die Pieta mit dem entseelten Leichnam Jesus“, gemalt um 1608 vom in Basel geborenen Künstler Joseph Heintz. Der Gegenüberliegende Seitenaltar zeigt das Bild des Hl. Sebastian von Matthias Kager.
Auf den Stirnseiten südlich und nördlich zeigen die Bilder von Franz Joseph Maucher den „Lebenszyklus“, zwei weitere Bilder von Georg Bergmüller mit den Titeln „Der Sieg über die Stände“ und „Die Auferstehung Christi“ ergänzen hier das Thema „Leben und Sterben“
Durch die Ausmalung des Deckengewölbes 1772 mit der Darstellung des „Jüngsten Gericht“ vom damaligen Direktor der Augsburger Kunstakademie Johann Joseph Anton Huber und dem Aufbau der Orgelbrüstung wurde die Innenarchitektur zu einem wahren Kleinod.
Bedauerlicherweise erlitt die Kirche während des zweiten Weltkrieges im Dachbereich so starke Beschädigungen, dass 1951 das Deckenfresko abgenommen werden musste. Der Augsburger Kunstmaler Hermenegild Peiker rekonstruierte im Zuge der Sanierungen der Kirche von 1997 bis 2006 das Deckenfresko vom „Jüngsten Gericht“ nach dem Original von 1772.
Quellenangabe:
Kirchenführer „Kath. Friedhofskirche St. Michael in Augsburg“
Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg, 1. Auflage 2006
Die sorgfältige Ausarbeitung dieser geschichtlichen Abhandlung erfolgte auf Grundlage des Kirchenführers „Kath. Friedhofskirche St. Michael in Augsburg“ durch einen ehrenamtlichen Augsburger Kirchenführer.
Ehrenamtliche Führungen in der Friedhofskirche sind in begrenztem Umfang auf Anfrage möglich. Der Kirchenführer „Kath. Friedhofskirche St. Michael in Augsburg“ ist in der Verwaltung auf dem Hermanfriedhof erhältlich.